Memorial,
2020
Kantholz, Metallkette
2020
Kantholz, Metallkette
MEMORIAL beschäftigt sich mit der öffentlichen und medialen Rezeption des Selbstmords von Kurt Cobain und den damit verbundenen Verschwörungstheorien. Kern dieser Verschwörungstheorien sind Anschuldigungen gegen seine Frau Courtney Love, die Schuld an seinem Tod haben soll. Der offensichtliche Selbstmord Cobains wird darin negiert und zum Auftragsmord verklärt. Sollte C. Love den Mord nicht selbst in Auftrag gegeben habe, so die Theorie, dann war es eben ihre Art und ihr Charakter, die Cobain in den Selbstmord getrieben haben. Auf Basis dieser wirren Theorien sind zahlreiche Kulturprodukte wie Dokumentationsfilme und Bücher entstanden, unter anderem von ihren leiblichen Eltern. Zusätzlich hat Courtney Love den Ruf der meistgehassten Frau im amerikanischen Showbiz und es gibt eine unvergleichlich hohe Anzahl von „Diss-Tracks“ über sie, die meist ebenfalls ihre Rolle im Ableben Cobains thematisieren. Neben der medialen Hexenjagd der sie, ähnlich wie Yoko Ono, seit dem Anfang ihrer Beziehung zu Cobain ausgesetzt war, gibt es also auch zahlreiche musikalisch-künstlerische Reproduktionen des Sündenbock-Prinzips. Dieses misogyne publizistische Muster kann bei einer Vielzahl von Frauen beobachtet werden, die eine Partnerschaft mit berühmten, mächtigen Männern eingehen (jüngere Beispiele außerhalb des künstlerischen Kontexts wären Megan Markle oder Brigitte Macron). Bei Courtney Love, die ihren mangelnden Wille zur Anpassungsfähigkeit stets selbst teilweise fragwürdig medienwirksam inszeniert, scheint die Hemmschwelle ihr gegenüber besonders niedrig zu sein und die Anschuldigungen besonders unmenschlich und empathielos – fast so, als wäre die „Hexenjagd“ auf eine widerständige Frau, die ihr eigenes Narrativ ihrer Beziehung (zur Not auch mit rechtlichen Mitteln) verteidigt, gerechtfertigt. Das Holzkreuz mit der Aufschrift YOU KNOW IT WASN’T Courtney verweist explizit auf dieses Unrecht und implizit auf unser pop-kulturelles kollektives Gedächtnis und die mediale Misogynie gegenüber Frauen „genialer“ Männer. Außerdem ist es eine formale Referenz auf das bis heute fehlende Grab Kurt Cobains, dass von seiner Heimatstadt Seattle bis heute mit der Begründung von Angst vor ausuferndem „Grabtourismus“ verweigert wird (ein weiterer makaberer Auswuchs fanatischer Star-Verehrung). Das Holzkreuz, das in der westlichen Welt meist als Interimsgrabstein gesetzt wird, bis es einen richtigen Grabstein gibt, öffnet so das Spannungsfeld zwischen dem Selbstmord von Kurt Cobain und dem Rufmord an seiner Partnerin, der seinen spekulativen Nährboden in der fanatischen und damit verklärten Verehrung eines männlichen Idols findet. Es soll im wahrsten Sinne ein Denkmal sein und den rhetorischen Raum der Andacht öffnen.